Liebe Nicht-Veganer der toleranten Fraktion,
erstmal Danke dafür, dass ihr nicht zu der Sorte gehört, die mir in der Hoffnung, mich aus der Fassung zu bringen, mit Fleisch vor der Nase rumwedeln und mir erzählen, dass Tomaten doch auch Gefühle haben. Ich verstehe, dass ihr meine Entscheidung, bestimmte Produkte nicht zu konsumieren, akzeptiert und nicht sofort als Hirngespenst abschreibt. Bei manchen von euch hege ich ja auch die heimliche Hoffnung, dass ihr euch eines Tages doch noch für den Veganismus entscheidet – das Reflektionsvermögen habt ihr auf jeden Fall.
Aber eine Sache gibt es da doch. Ihr müsst euch nicht immer entschuldigen.
„Es tut mir Leid, jetzt muss ich dir hier was voressen“ – „ich würde dir sofort was von meinem Kuchen anbieten, wenn keine Eier drin wären“ – „ist es jetzt okay für dich, wenn ich das Steak bestelle?“. Ich weiß, dass ihr das nur gut meint. Aber ihr macht da einen ganz entscheidenden Denkfehler, den ich immer wieder bei Nicht-Veganern entdecke.
Ich verzichte nicht auf Tierprodukte. Ich will sie einfach nur nicht essen. Das klingt jetzt erstmal nicht nach einem gravierendem Unterschied, und doch ist es ein existenzieller Teil des Veganismus. Verzichten heißt:
- etwas aufgeben, was einem zusteht
- und/oder etwas aufgeben, was man eigentlich gerne hätte.
Das perfekte Beispiel? Ich hätte wirklich gerne das letzte Stück (vegane) Pizza, die ich für uns beide gekauft habe, aber du hast den ganzen Tag nichts gegessen, weswegen ich verzichte. Läuft mir weiterhin beim Gedanken an das letzte Stück Pizza das Wasser im Munde zusammen? Aber hallo.
Bei Tierprodukten kann ich nicht von einem Verzicht sprechen. Ich glaube nicht, dass sie mir zustehen, und ich würde sie auch nicht gerne heimlich, eigentlich, wenn man mal ganz ehrlich ist essen. Wenn ihr neben mir euer Steak esst, empfinde ich nicht irgendwo tief in mir drin Verlangen oder Appetit. Dafür habe ich zu viel gelesen, gesehen, gelernt. Ich bin glücklich mit genau dem, was auf meinem Teller liegt, und da sieht man weder Verzicht noch das Ergebnis von Tötung oder Ausbeutung von Lebewesen. Sondern ein leckeres, buntes, vielseitiges und komplettes Gericht, an dem ich nichts vermisse.
Deswegen fällt es mir nicht schwer, mich vegan zu ernähren, und deswegen müsst ihr euch auch nicht entschuldigen, wenn ihr mir nichts abgeben könnt oder vor mir ein Tierprodukt konsumiert. Und nochmal – zu erkennen, dass Veganismus kein Verzicht, sondern eine Bereicherung ist, ist ein wichtiger Schritt zur Umstellung. Vielleicht wollt ihr ihn irgendwann auch machen.
Hier ist ein virtueller Keks für euch. Natürlich ganz vegan. Und lecker.