Veganismus ist Trend. Die beiden Begriffe scheinen überhaupt nicht voneinander trennbar zu sein, wenn man sie zusammen auf Google sucht, findet man über 19 Millionen Ergebnisse, eine Unterhaltung über das Thema Veganismus kommt nicht ohne mindestens einen Verweis aus, dass das ganze ja nur ein Trend sei.
Das ist erstmal und erfreulicherweise auch die Wahrheit – die Zahl vegan lebender Menschen steigt. Der Begriff „Trend“ ist demnach zutreffend, wenn er in seiner wissenschaftlichen Definition verstanden und gemeint wird. Meistens aber wird er umgangssprachlich und bewusst verächtlich benutzt – ein Trend, das bedeutet, dass es nur um oberflächliches Dazugehören geht. Man scheint uns klar machen zu wollen, dass wir uns nur in einer Phase befinden, die durch den nächsten „Trend“ schon wieder abgelöst wird, dass wir nur hirntote Kids sind, die alles tun würden, um auf dem Schulhof zu den Coolen zu gehören, dass wir das nur machen, um uns vegan nennen zu können, während wir unser alternatives Mandelmilcheis schlecken, dass wir nur etwas nacheifern, was uns andere vorgemacht haben: ein Trend eben.
Ich will nicht abstreiten, dass die vegane Bewegung auch teilweise zu genau dem gemacht wurde. Es gibt Leute, die sich mit dem eigentlichen Problem nicht auseinander setzen, sondern nur ab und zu im Biosupermarkt zum Sojaschnitzel greifen, um irgendwie dazu zu gehören. Im Kern aber ist Veganismus etwas ganz anderes. Entscheidet man sich zu komplettem Veganismus – der nicht nur die Ernährung, sondern auch eine kritische Auseinandersetzung mit beispielsweise Kosmetik, Kleidung und unserer Unterhaltungskultur einbezieht – geht das sehr viel tiefer, als uns oft von außen vorgeworfen wird.
Es gibt immer mehr junge Menschen, die bereit sind, ihr Leben für eine größere Sache komplett umzugestalten. Immer mehr hinterfragen die bestehenden Strukturen, wehren sich gegen kapitalistisches Ausbeuten und systematisches Vertuschen und gegen die Grausamkeiten, die auf der ganzen Welt in Schlachthöfen stattfinden. Veganismus ist kein Trend, sondern eine kritische Bewegung. Junge Menschen setzten sich mit der Umwelt, ihren Mitmenschen, Ethik, der Wirtschaft und ihrer Gesundheit auseinander, sie handeln aus Mitgefühl, nicht aus Egoismus, und sie erweitern ihren kritischen Denkhorizont. Warum müssen wir uns dafür, häufig von den älteren Generationen, immer wieder Oberflächlichkeit vorwerfen lassen?
Solche Vorwürfe kann man nur machen, wenn man sich mit den eigentlichen Beweggründen der veganen Bewegung nicht auseinander gesetzt hat. Meistens handelt es sich um eine billige Ausrede, um seine eigenen Gewohnheiten zu verteidigen – indem man die Andersdenkenden lächerlich macht, stärkt man die eigene Position. Leider verlieren dabei alle. Ich habe lange vor dem Veganismus zurückgeschreckt, weil er so stigmatisiert ist. Ich hatte ein Bauchgefühl, dass etwas an einer Lebensform dran sein muss, zu der sich so viele Leute bekennen, aber ich hatte Angst. Ich, als junge Frau, muss mich ständig dagegen währen, als kritiklose Trendjägerin gesehen zu werden. Eine Bekenntnis zum Veganismus erschien da wie ein freiwilliger Lauf in die offene Falle.
Auch hier gilt – hat man sich einmal mit der eigentlichen Thematik auseinander gesetzt, ist es eigentlich unmöglich, sich von solchen persönlichen Ängsten abhalten zu lassen. Hingegen aller Vorbehalte bin ich bereit, für eine Lebensweise zu kämpfen, die ich in unserer Welt für die einzig Richtige halte. Und wenn man sich ein bisschen mehr Mühe geben würde, könnte man sehen, dass es allen anderen „wahren“ Veganern (das heißt Leuten, die die Bewegung in all ihren Facetten verstanden haben und versuchen, sie komplett für sich zu leben) um genau das Gleiche geht. Veganismus zeigt, dass unsere Generation zu mehr imstande ist als Kritiklosigkeit und Trendverfolgung, sondern politisch, engagiert und konsequent sein kann. Jeder, der Veganismus als bloßen Trend abschreibt, hat die Diskussion offensichtlich nicht verstanden.