Vor ungefähr einem Jahr habe ich einen Text über unsere Generation und meine Rolle in ihr geschrieben. Ich würde ihn normalerweise unter dem Sammelpunkt „Gedichte“ abheften, aber er schien mir dafür zu lang – und obwohl sich meine Einstellungen zu den Themen in diesem Text sowohl wie mein Anspruch an mich selbst teilweise geändert haben, mag ich ihn nach wie vor irgendwie. Vielleicht könnt ihr ja auch was damit anfangen.
Ich bin neidisch auf die ewig lebenden Toten. Die auf immer zitierten Dramenschreiber, die allzeit hochgelobten Autoren, die endlos angebeteten Dichter. Ich analysiere, wie sie Worte setzen, um die Stimme ihrer Generation zu werden, einer Generation, die demonstriert, rebelliert, kämpft. Ich sitze in der mündlichen Prüfung und werde gefragt: „Cora, denkst du, Literatur muss alte Grenzen sprengen?“ Und brav, mit meinem gewaschenen Haar und meiner zugeknöpften Bluse, antworte ich: „Ja, denn nur so gibt es Fortschritt.“
Unsere Generation setzt sich Hundefilter aufs Gesicht und lässt sich von den Eltern Abiballkleider kaufen. Wie sollen die Schüler kommender Jahrzehnte darin einen Fortschritt erkennen, wie sollen sie eine Rebellion herauf analysieren? Was werden sie über uns sagen? Wie kann aus ihren Rückblicken etwas anderes als Enttäuschung, Verachtung oder – am schlimmsten – ein gelangweiltes Gähnen resultieren? Was haben wir, was uns vor dem Versinken in der absoluten Bedeutungslosigkeit retten wird?
Ich will nicht falsch verstanden werden: Mir geht es hier nicht um ein Idealisieren der guten alten Zeit, die es nie gab. Und noch viel weniger will ich mich den Stimmen anschließen, die die neue Technik und sozialen Medien und Computerspiele verurteilen. Überraschung, die sind mit ihren Tiraden kein Stück origineller als wir. Ich halte uns für genauso gut oder schlecht wie alle, die vor uns geboren wurden. Aber wir sind so ahnungslos. Im Individualisierungswahn träumen wir alle dem good life hinterher, aber kommen nicht aus dem Bett. Unsere Frustration entladen wir in überzogenem Narzissmus, gefüttert von Selfies und Filtern und Make-Up Methoden, die ohne tieferen Sinn unsere Welt überschwemmen. Keiner macht mehr Musik, weil alle zuviel Zeit mit Pumpen verbringen. Es macht keinen Spaß, für etwas zu kämpfen, weil uns unsere Eltern den Kopf tätscheln, wenn wir mal auf die Straße gehen, und selbst wahrscheinlich lautstärker die lieblichen Parolen schreien als wir. Alles hat es schon gegeben. Jeder sagt, er sei anders als die anderen, aber will trotzdem mehr Likes. Es gibt keinen, der aneckt. In einer großen farblosen trägen Masse tümpeln wir um uns herum, zerkochen in unseren eigenen Säften.
Wofür soll ich kämpfen? Und wie? Wie erfindet man die Ästhetik des Hässlichen, das bürgerliche Trauerspiel, das epische Theater? Wie wird man die Stimme einer Generation, die einfach nichts zu sagen hat?